Christlich-islamischer Dialog
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Krieg und Vertreibung statt Arabischem Frühling

Rainer Hermann: Endstation Islamischer Staat? Staatsversagen und Religionskrieg in der arabischen Welt, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2015; ISBN 978-3-423-34861-4, 144 Seiten, € 12,90

Rezensent: Gerhard Duncker

Es gibt keinen Frühling in der arabischen Welt, nur Krieg, Zerstörung, Vertreibung und eine „epochale Umwälzung“ (S. 8) mit sehr unsicherem Ausgang. Sehr eindrucksvoll belegt Rainer Hermann diese These in seinem soeben erschienenen Buch. Der Autor weiß, wovon er schreibt. Er ist Islamwissenschaftler und Dip-lomvolkswirt, Mitglied der Redaktion der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und berichtet seit 1996 aus der Türkei und der arabischen Welt.

„Staatsversagen“ und „Staatsverfall“ sind die zentralen Begriffe, mit denen der Autor die Zustände in Syrien und im Irak seit der amerikanischen Invasion im Irak und des Sturzes von Saddam Hussein im Jahre 2003 beschreibt.

Seit gut zehn Jahren zerfällt die Herrschaft der nahöstlichen Eliten, kommt die Balance zwischen Sunniten und Schiiten, sprich zwischen Saudi Arabien und Iran mehr und mehr aus dem Gleichgewicht. Wo heute sunnitische Extremisten, wie der „Islamische Staat“ (IS) herrschen, steht die Scharia anstelle des Völker-rechts (S. 34), werden alle Minderheiten, seien es Christen oder Jesiden ausgelöscht und Kulturgüter der Menschheit zerstört.

Der IS kann aber nicht jeweils ein Drittel des Territoriums Syriens und des Iraks beherrschen ohne einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung. So liegt der Basissold für die IS-Kämpfer erheblich über dem der regulären Truppen. Der IS ist somit ein attraktiver Arbeitgeber, der darüber hinaus etwa Benzin und Nah-rungsmittel, für die Bevölkerung subventioniert, Straßen baut, Wasser und Strom liefert (S. 70).
All das wird u.a. finanziert durch Schutzgelderpressungen, Geiselnahmen und illegale Erdölverkäufe.

Die Geschehnisse im Nahen Osten vergleicht Rainer Hermann mit einer geschichtlichen Parallele in Europa, dem Dreißigjährigen Krieg von 1618 – 1648. Es ist ein (Religions-) Krieg zwischen Arabern und Persern, Sunniten und Schiiten, Saudi-Arabien und Iran, dessen weiterer Verlauf sich auf dem Schlachtfeld Syrien entscheiden wird.

Zwei Herausforderungen sieht der Autor für die islamische Welt:

Erstens:    „Die Muslime müssen mit dem ‚Clash of Civilsations‘, der durch ihre Mitte geht, untereinander klären, wie sie es mit dem Islam in der Zukunft halten wollen (S. 131).

Zweitens:    „Legitime und funktionsfähige Staaten zu schaffen wird die Herkulesaufgabe der kommenden Generationen sein“ (S. 27).

Und die westlichen Staaten?
Ihnen prophezeit der Autor: „Eine Steigerung und die Eskalation wären ein weltweiter Krieg der Religionen. Auf die würde die Welt zusteuern, sollte es nicht gelingen, den IS militärisch und ideologisch auszulöschen (S. 130).“