Christlich-islamischer Dialog
Hinweise zu Neuveröffentlichungen

Christen und Muslime im Gespräch

Susanne Heine, Ömer Özsoy, Christoph Schwöbel, Abdullah Takim (Hrsg.); Christen und Muslime im Gespräch. Eine Verständigung über Kernthemen der Theologie, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2014, ISBN 978-3-579-08179-3, 384 Seiten, € 29,99

Rezensent: Ralf Lange-Sonntag

Theologie geschieht nicht im geschichtslosen Raum, sondern wird geformt durch politische und gesellschaftliche Entwicklungen und reagiert auf diese. Die Herausgeber des vorliegenden Werkes sind sich dessen bewusst und nennen in ihrem „Nachwort aus gegebenem Anlass“ (S.375ff.) an erster Stelle die Entstehung des Islamischen Staates und des von ihm ausgerufenen Kalifats als Bezugsrahmen. Angesichts des Doppelgesichts von Religion, das zum einen Mitmenschlichkeit fördert, zum anderen Konflikte auslöst, verstehen die beteiligten Autoren ihr Buchprojekt als einen kleinen, aber wesentlichen Beitrag zum Frieden: „Normalität im Umgang miteinander ist zwar keine große Weltpolitik, kann aber ein soziales Klima schaffen, das radikalen Tendenzen […] entgegenwirkt.“ (S.370)

Im Horizont dieser religionspolitischen Großwetterlage, die zum einen durch Zerrbilder des Islams in der westlichen Welt und zum anderen durch die Radikalisierung muslimischer Gruppierungen gekennzeichnet ist, hatte sich eine internationale Gruppe von fünf evangelischen und neun sunnitisch-muslimischen Theologinnen und Theologen von 2007 bis 2010 zu fünf mehrtägigen Gesprächen an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien getroffen. Unter dem Arbeitstitel „Theologie als Ressource des christlich-muslimischen Gesprächs“ beabsichtigte das ambitionierte Projekt „die Verständigung zwischen Christentum und Islam als Religionen durch die Suche nach Übereinstimmungen und Unterschieden“ (S.9, Hervorhebung im Original). Ziel war eine „Differenz in Beziehung“ bzw. eine „Beziehung in Differenz“ (S.18).Die Ergebnisse dieses Verständigungsprozesses liegen nun mit „Christen und Muslime im Gespräch“ vor.

Vor aller inhaltlichen Auseinandersetzung besticht das Projekt durch seine konsequent durchdachte Methodik. Einzelne Autoren haben zunächst zu einem der vierzehn Themen die Essentials ihrer je eigenen Religion zusammengefasst. Die Autoren sollten dabei „aus persönlicher Überzeugung Position beziehen, die jedoch in der je eigenen Tradition verankert ist“ (S.11). Eigene Erfahrungen, die religiöse Glaubenspraxis sowie Aspekte von Kultur und Kunst sollten bewusst miteinbezogen werden. In einem zweiten Schritt wurden die Vorlagen zu einem gemeinsamen Text verschränkt. Diese gemeinsame Fassung bildete die Grundlage für die theologischen Gespräche im Gesamtteam. Die dort geäußerten Anfragen, Anregungen und Kritiken wurden protokolliert und dienten dem Herausgeberteam als Vorlage für die Überarbeitung der Texte, die schließlich durch Susanne Heine, emeritierte Professorin für Praktische Theologie an der Universität Wien und seit langer Zeit im interreligiösen Dialog engagiert, einer Endredaktion unterzogen wurden. In der Durchführung der Methodik zeigen sich jedoch auch schon leichte Spannungen, wenn sich das Team zum Beispiel nicht auf eine Koranübersetzung einigen konnte, sondern neben der anerkannten Übersetzung von Hartmut Bobzin für einzelne Kapitel die eigenwillige Übersetzung des Mitautoren Amir Zaidan wählte, der zur Zeit des Projekts Leiter des „Hochschullehrgangs für die Islamische Religionspädagogische Weiterbildung“ in Wien war.

Die einzelnen Kapitel zu theologischen Kernthemen der Religion sind in ihrem Aufbau unterschiedlich. Meist wechseln evangelisch-christliche und sunnitisch-muslimische Ausführungen mehrfach innerhalb eines Kapitels, was den Lesefluss behindert. Dabei sind christliche und muslimische Positionen bisweilen nur nebeneinander gestellt, ohne einen direkten Bezug aufeinander erkennbar zu machen. Der Informationsgehalt ist durchgehend hoch, obgleich das Ideal der Vermittlung von eigener Position und religiöser Tradition nicht immer realisiert worden ist. Vor allem im Kapitel zu Recht und Rechtsordnungen versteckt sich eine eigene muslimische Position zu großen Teilen hinter dem Referieren von Ansichten aus der islamischen Geschichte. Dennoch eignen sich die einzelnen Kapitel durchgehend, um einen fundierten Überblick über evangelische und die sunnitische Glaubensauffassungen und ihre Begründungen zu bekommen. Leider haben sich jedoch an einigen Stellen inhaltliche Fehler bzw. missverständliche Passagen eingeschlichen, wie zum Beispiel, dass die erste Begegnung von Christen mit dem Islam aufgrund der Flucht von Christen vor dem byzantinischen Reich geschehen sei (S.51). Die christologischen Auseinandersetzungen, auf die hier angespielt wird, fanden jedoch zeitlich weit vor der Entstehung des Islams statt. Hilfreich ist hingegen die Zusammenfassung am Ende jedes Kapitels, in der kurz und knapp die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zusammengefasst und in Beziehung zueinander gesetzt werden. Ein Verzeichnis weiterführender Literatur, eine Zeitleiste und ein Glossar sind eine hilfreiche Ergänzung für die thematischen Ausführungen.

Leider ist in den nun vorliegenden Texten die eigentliche Auseinandersetzung kaum noch erkennbar. Es wäre jedoch interessant, mehr vom Prozesscharakter des Projekts wahrnehmen zu können, denn gerade durch die kritischen Anfragen könnten Impulse für das Gespräch vor Ort entstehen. Auch wäre erkennbar, ob oberflächliche Argumentationen wie zum Beispiel die hinsichtlich der Aufnahme der historisch-kritischen Methode im Islam (S.42f.) kritischere Anfragen von Seiten der christlichen Teilnehmer nach sich gezogen haben oder ob die christliche Seite hier nur die muslimische Position zur Kenntnis genommen hat. Die Veröffentlichung eines Protokollbands wäre daher eine wichtige Ergänzung im Rahmen dieses beispielhaften Dialogprojektes.